Die B
ön-Religion ist eine alte einheimische Religion in Tibet. Sie wurde etwa im 5. Jahrhundert v.u.Z. vom Prinz Sinrao Myibo aus Zhangzhung (ein alter Ortsname in Westtibet) auf der Grundlage der lokalen Religion entwickelt. Am Anfang waren es nur primitive Riten zum Beglückwünschen, Geistervertreiben und Unheilbeseitigen. Um die Zeitenwende drang die B
ön-Religion ins Einzugsgebiet des Flusses Yarlung Zangbo vor und war in der Tubo-Sklavenhaltergesellschaft von großer Wichtigkeit. Mit der Einführung des Buddhismus begannen lang anhaltende, heftige Kämpfe zwischen den beiden Religionen. Tatsächlich waren es Kämpfe zwischen den verschiedenen Interessengruppen der Tubo-Gesellschaft. Um den stärker werdenden Kräften des tibetiscben Buddhismus etwas entgegenzusetzen, und um die eigene Existenz und Entwicklung sicherzustellen, hat die Boen-Religion direkt oder indirekt viele Inhalte und Formen vom tibetischen Buddhismus in sich aufgenommen. Inhaltlich gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Religionen, doch sie haben unterschiedliche Bezeichnungen und Interpretationen, z.B. beim Kasaya tragen, beim Klosterbau, bei der Buddhaverehrung (in der Boen-Religion ist der Buddha Sinrao), beim Drehen der Gebetsmühlen und Mani, beim Handhaben der Gebetsketten (in gegensätzlicher Richtung wie beim tibetischen Buddhismus), beim Rezitieren des Sechs-Schriftzeichen-Gebets (im Unterschied zu Zauberformeln) und sogar bei der Auswahl eines Lebenden Buddhas, der ja die Reinkarnation eines anderen ist, so dass manche Leute der Meinung sind, die Boen-Religion sei bereits buddhistisch geworden.